Exkursion in den Göttinger Stadtwald
Am 20 März, dem Frühlingsanfang wollten wir uns selber einen Eindruck über den Göttinger Stadtwald verschaffen. Wir sind eine Gruppe von 9 Personen, von denen eine Person vom BUND Göttingen und die anderen Personen von Greenpeace Göttingen, Hannover, Hildesheim und Kassel anreisten. Lena Dzeia, die Leiterin des Fachdienstes Stadtwald war gerne bereit, uns durch einen Teil des Reviers zu führen, für das sie seit 2018 verantwortlich ist. Die oberste Försterin Göttingens hat die Nachfolge von Martin Levin angetreten.
Greenpeace lobte den Göttinger Stadtwald bereits 2013 als „Ein Modell mit Zukunft“ in dem ein naturnahes, ökologische Konzept der Waldbewirtschaftung umgesetzt wird. Konkret heißt das, dass es keine Kahlschläge gibt, keine Pestizide eingesetzt werden und nur einzelne Bäume entnommen werden und das möglichst schonend. 10 % der Waldfläche sind aus der Nutzung genommen und Habitatbäume werden erhalten. Dementsprechend waren wir gespannt, was Frau Dzeia uns zeigen und berichten würde. Schnell wurde uns klar, dass diese Frau mit viel Begeisterung und Engagement ihren Job verrichtet, weil der Wald und die Natur ihr wirklich am Herzen liegen. Der 1.700 Hektar große Stadtwald ist zu ca. 70 Prozent mit Buchen bewachsen, so wie es ganz Deutschland ohne den Einfluss des Menschen heute noch wäre. Der kalkhaltige Boden um Göttingen herum bietet hervorragende Bedingungen für diese Baumart. Aber auch Ahorne, Eschen, einige andere Laubbaum-Arten sowie ein paar Fichten und Lärchen finden wir hier.
Mischwälder wie diese gelten als relativ resilient in Zeiten des Klimawandels. Monokulturen bestehend aus Nadelwäldern, sind in großer Gefahr flächendeckend abzusterben so wie es im Harz bereits katastrophal geschehen ist. Stürme und Borkenkäfer haben „leichtes Spiel“ wenn durch Hitze und Trockenheit Bedingungen geschaffen werden, die den Wald schwächen. Aber auch die Buche gerät bei Trockenheit unter Stress. Das führt dazu, dass die Baumkronen bei einem großen Teil der Bäume lichter werden und das Blätterdach sich nicht mehr voll ausbilden kann. Im Fachbereich spricht man von einer erhöhten Kronenverlichtung. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Fotosynthese. Die Bäume speichern weniger CO2 und produzieren weniger Sauerstoff, der für unser Überleben auf diesem Planeten essentiell ist. Die Vitalität der Bäume nimmt ab. Wir alle sind froh, dass es dieses Jahr schon so viel geregnet hat und hoffen, dass es auch im Laufe des Jahres und die nächsten Jahre weiterhin ausreichend regnen wird und die Sommer nicht zu heiß werden. Zumindest konnte uns Frau Dzeia versichern dass die Grundwasserspiegel durch den vielen Regen der letzten Wochen wieder aufgefüllt sind.
Weiter setzt die Försterin auch darauf, dass sich die nächsten Generationen der Sämlinge genetisch an die Klimaveränderungen anpassen. Wenn sich der Wald natürlich verjüngt, kann er ohne den Eingriff des Menschen stabiler werden. Erschrocken nahmen wir daher wahr, dass ein Waldgebiet am Kehr abgesperrt und Motorsägengeheul sich störend breit machte. Frau Dzeia versicherte uns, dass das nur Fällungen seien um die Wanderwege zu sichern. Seit 5 Jahren hätte sie keine Baumfällungen mehr im Gelände vornehmen lassen. Doch selbst die Sicherung der Wege kosten einigen kleinen aber auch dicken Bäumen das Leben, da eine Baumlänge vom Weg entfernt alle Äste und Bäume, die Besucher/innen gefährden könnten entfernt werden müssen. Die Oberförsterin haftet persönlich, wenn eine Person, die den Wald besucht durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume verletzt wird. Verständlicher Weise lässt sie deshalb eher mehr Fällungen vornehmen um sich abzusichern. Um Veränderungen, die den Baum instabil machen, wie etwa ein seltener Pilzbefall, zu diagnostizieren, arbeitet sie mit der Uni Göttingen zusammen. Da kommt es schon vor, dass sie den einen oder anderen Weg nicht mehr offiziell als Wanderweg führt, damit die Bäume stehen bleiben können. Sie wünscht sich, dass die Vorschriften weniger streng in Bezug auf die Wegesicherung werden, damit ihre Arbeit zum Schutz der Bäume einfacher wird. Sicher auch ein Punkt, der in das neue Bundeswaldgesetz aufgenommen werden müsste.
Unerfreulich ist die Aussage von Frau Dzeia, dass Buchenholz keinen großen finanziellen Wert hat und deshalb nach China exportiert wird. Die Buche ist eine der ökologisch geeignetsten Baumarten Mitteleuropas, da sie hier beheimatet ist und sich als sehr anpassungsfähig erweist, was klimatische Verhältnisse betrifft. Auch wenn Buchenholz als Bauholz schwer verwendbar ist, sollte es doch möglich sein hochwertige Möbel daraus herzustellen. Leider steigt die Nachfrage nach immer mehr Billigmöbel die aus dem Ausland importiert werden.
Die Forderung von Greenpeace ist, dass das Ökosystem Wald oberste Priorität hat vor der Nutzung zu ökonomischen Zwecken. Dies wird für den Göttinger Stadtwald erfüllt. Der Erholungswert des Göttinger Stadtwaldes steht für die Stadt und die Bevölkerung an erster Stelle und deshalb hat auch die Oberförsterin das Privileg, keinen Gewinn erwirtschaften zu müssen. Den Stadtverordneten ist es zur Zeit noch wichtiger die Biodiversität und den Erholungswert des Waldes zu fördern, als Gewinn zu erzielen. 580 000 Euro lässt es sich die Stadt jährlich kosten, einen Wald zu besitzen, der diesen Bedingungen entspricht.
Frau Dzeia wünscht sich sehr, dass Erholung in einer ursprünglichen Form verstanden wird, indem die Natur bewusst wahrgenommen und geschätzt wird. Die vielen neuen unterschiedlichen Anforderungen an Erholung im Wald sind immer schwieriger miteinander zu vereinigen. Trotzdem ist sich Frau Dzeia ihrer bevorzugten Lage bewusst und so besteht ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit aus Lobbyarbeit für den Wald. Doch ganz deutlich macht sie klar, dass der Wald nicht die Rettung für den Klimawandel ist. Der Wald ist betroffen. Wir alle müssen uns wandeln und auf Privilegien verzichten, damit der Wald, die Tiere und die Menschen auch in Zukunft leben können. Damit wir noch lange so informative und erholsame Spaziergänge im Wald genießen und uns dadurch erfrischt und zufrieden als Teil der Natur wahrnehmen können.
Frau Oberförsterin Dzeia stimmte uns zu:
„Wald ist mehr als Holz“
Text: Gerda Osigus
Weiterführender Link: nlwkn.niedersachsen